Dienstag, 25. Oktober 2011

Gern treib' ich mit Entsetzen Scherz

Heiteres und Skurriles aus dem Berufsleben
Es gibt sie immer wieder, die Momente der Überraschung, des Staunens, der ausgelassenen Heiterkeit, der merkwürdigen und skurrilen Begebenheiten, die den Alltag und insbesondere auch das Berufsleben in einer solchen Art würzen, als sollten sie auf ewig im Gedächtnis verhaftet bleiben. Einige der markanten Gespräche und Telefonate mit Kunden oder Patienten aus dem Berufsleben der vergangenen Zeit sollen nun in kleinen Episoden sozusagen in einem schriftlichen Gedächtnis ihren Platz einnehmen.

Aus dem Buchclub
1. Das Doktorbuch
Ein Kunde bewegt sich suchend durch den Club-Center, natürlich überlass‘ ich ihn nicht hilflos seinem Schicksal und wende mich mit der Frage an ihn: "Suchen sie etwas Bestimmtes?" "Ja", lautet Antwort in
einem deutlich erleichterten Ton, "das neueste Doktorbuch!" "Welchen Titel meinen Sie?" Mit dieser Frage unterbreche ich eine Denkblase, weil ich mich an keinen neuen Titel der gängigen Gesundheitsratgeber erinnern kann, während ich ihn zu dem Regal mit den entsprechenden Werken führe. "Hier", ich greife zu "Gesundheit von A-Z", der Mann schüttelt den Kopf, auch "Der Hausarzt" findet nicht seine Zustimmung. Ich bitte ihn, das Regal nach dem gesuchten Titel durchzusehen, doch keines der Bücher hat für ihn einen Wiedererkennungswert. Etwas ratlos bitte ich ihn zu dem Tisch mit den Katalogen, vielleicht dass darin dieses "neue" ominöse Gesundheitsbuch zu finden ist. Auf dem Tisch liegen ein paar Bücher, die noch nicht wieder in die Regale zurückgeräumt sind. Der Kunde greift sich aufgeregt einen Band heraus. "Da", schreit er triumphierend, "das ist es, das Doktorbuch!" Jetzt interessiert mich aber der Titel und nur mit Mühe kann ich ein Lachen verbergen. Er heißt "Doktor Schiwago".

 2. Hallo, Fräulein
Eine alte klassische Schaufensterpuppe, die das Team vom "Kaffeegeld" erstanden hatte, steht am Eingang des Centers, modisch ausgestattet im Schottenstil, mit weißer Bluse, Schottenrock und einer Krawatte aus dem echten Tartan der Camerons (einst eine Beigabe zu dem Roman "Die Camerons"). Die so herausgeputzte Dame trägt eine Tasche eigener Konstruktion mit der Aufschrift "Auch Frau McKenzie kauft im Club-Center". Diese Behauptung soll auf die Sonderangebote, die in entsprechenden Containern angeordnet sind, aufmerksam machen. Der Erfolg beibt auch nicht aus, nur anders als erwartet: Ein älterer Herr wendet sich an die Schaufensterpuppe: "Fräulein, wo geht’s denn hier zum Bahnhof?" bittet er um Auskunft. Die Puppe hat das Sprechen noch nicht erlernt, vielleicht redet sie auch erst um Mitternacht. Ich selbst bin starr vor Staunen und kann den Irrtum nicht aufklären. "He, ich hab‘ sie etwas gefragt!" poltert das Männlein und stößt "Frau McKenzie" unwirsch an den Waden mit dem Stock an. Nun hat sich der Fall auch für den alten Herrn geklärt...

3. Die Sache mit dem "Spinner"
Das Pärchen, das den gut besuchten Laden betritt, ist sich offenbar uneins in der Sache, die gekauft werden soll. Während mir der männliche Part, etwas dicklich und mit Brille, sein Begehr erklärt, nämlich "die neueste Schallplatte", zischelt die schlanke, schwarzhaarige Dame mit Hexennase mir zu "hören sie nicht auf den, der spinnt!" Da ich nicht geneigt bin, einer Verleumdung aufzusitzen, wende ich mich dem potentiellen Kunden zu und bitte ihn um nähere Angaben. Er kennt keine. Nun, es soll sich um die neueste Schallplatte handeln, so geleite ich zu den derzeit moderneren und gefragten Ausgaben von Joe Cocker und Procol Harum, er aber kann damit nichts anfangen. Wieder zischelt die Schwarzhaarige schlangengleich "ich sage ihnen doch, hören sie nicht auf ihn, der spinnt." Auch das in solchen Fällen übliche Durchforsten der Kataloge bringt uns auf "keinen grünen Zweig". Das Zischeln wird schon lästig. Schließlich kommt mir die zündende Idee: "Sagen sie, können sie die Musik einmal intonieren". "O, ja", er nickt begeistert und schon geht es los:,Da,da,da, - daaa!" Die übrigen Kunden, die interessiert dieses Unterfangen begleitet haben, beginnen zu lachen und schließlich kann ich mich auch nicht mehr zurückhalten, und während ich lospruste zischelt die Hexennase "ich hab’s doch gesagt, der spinnt!"
Die Melodie - es ist nicht zu fassen - ist "die Fünfte" von Beethoven!!
Aus der Pathologie

1. Ein Patient hat es eilig
Ich habe Telefondienst. Das Telefon läutet und ich melde mich mit "Institut für Pathologie H...". Am anderen Ende eine gehetzte Stimme:"Schnell, schnell, ich brauche sofort einen Termin!" Das wundert mich, unsere "Clientele" braucht keine Termine. Entweder gibt es nur den Kontakt in Gewebeproben, die zur Untersuchung in die Labore gebracht werden oder eine Krankheit "war nicht mehr mit dem Leben zu vereinbaren." Also hake ich behutsam nach: "Sie sind hier in der Pathologie gelandet, sind sie sicher, dass sie richtig verbunden sind?" "Ja, ja, ich bin hier in Hamburg und komme direkt aus Bogotà, ich soll sofort operiert werden," der Patient ist hektisch. "Und da sollten sie in der Pathologie anrufen?" "Ja,ja, Pathiologie – ich habe Röntgenbilder, Blutuntersuchungen alles dabei..." "Ich glaube, da sind sie bei uns nicht richtig," wage ich festzustellen,"darf ich fragen, woran sie operiert werden sollen, damit ich sie an die richtige Stelle verbinde." Man kann ja schließlich nicht mit der Tür ins Haus fallen. "Ei, am Darm" lautet die Antwort. "Gut, dann werde ich sie mit der Chirurgie verbinden" und da der Mensch nicht an einer Herzkrankheit leidet, erlaube ich mir noch einen flapsigen Zusatz "denn wenn unsere Ärzte sie operieren, bleibt nicht mehr viel übrig". Die Entgegnung verblüfft: "Ist mir egal, die Hauptsach‘, ich werd‘ operiert!"

 2. Herzuntersuchung
 Ich bin in Eile und begegne auf dem Flur einem jungen Mann. "Ich bin hier zur Herzuntersuchung angemeldet." "Wohl kaum", entgegne ich, "sie sind hier in der Pathologie. Sie müssen zur Kardiologie". "Nein" behauptet er trotzig, "ich muss hier her". Das reicht. Der will mich wohl veralbern. Diesen jungen Besserwisser gebe ich in die Obhut eines entgegenkommenden Sektionsgehilfen. "Nimm diesen jungen Mann mit in den Sektionssaal, wenn er das übersteht, hat er nix am Herz..."

3. Anmeldung  
Offenbar war der Dame, die vorstehende Szene im Hintergrund beobachtete, etwas Entscheidendes entgangen. Sie wandte sich vertrauensvoll an mich und meinte freundlich: "Sie haben dem jungen Mann so nett geholfen, können sie mir bitte auch weiterhelfen". "Ja gerne, worum geht’s denn?" "Ich möchte meine Mutter anmelden". Diskret mustere ich die dunkle Kleidung der Frau – es könnte sich um einen Trauerfall handeln. Ich frage mit samtweicher Stimme "und wo befindet sich Ihre Frau Mutter?" Ich muss schließlich wissen, wo der Leichnam abgeholt werden soll, und der "Prof." muss auch noch sein Einverständnis geben. "Sie steht unten vor der Tür" ???? (Es rotieren die grauen Gehirnzellen). "Wie geht es ihrer Mutter denn", säusele ich, "erfreut sie sich noch einer guten Gesundheit?" "Sicher," unterrichtet mich das freundliche Gegenüber, "sie muss nur noch eine Herzuntersuchung haben." Jetzt wird mir einiges klar, so ein kluges Köpfchen an der Pforte des Universitätsklinikums scheint den Unterschied zwischen Kardiologie und Pathologie nicht zu kennen. Nun nehme ich die fürsorgliche Dame ins Visier. "Wissen sie, wo sie sind? Sie sind hier in der Pathologie!" Sie schaut mich verständnislos an, ich erkläre ihr "sotto voce" "hier kommen die Verstorbenen hin". "O, Gott" sie schlägt die Hände vor den Mund. Der Weg zur Kardiologie ist schnell erklärt. Dann verabschiede ich die Dame, die es jetzt sehr eilig hat, und flüstere ihr noch zu "sagen sie ihr nur nicht, wo sie sie hinbringen wollten.." "Nein", kichert sie, "jetzt noch nicht, vielleicht später einmal, sie hat eigentlich sehr viel Humor..."  
Gifs: picgifs, 123gifs, gifparadies, gifmix
Text: Elke Gelzleichter


3 Kommentare:

  1. Das war ja eine nicht ganz so angenehme Verwechslung und die Dame war sicher froh, dass sie darauf aufmerksam gemacht wurde. Wer hätte da nicht auch so schnell wie möglich das Weite gesucht ?

    VlG
    Ursula

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  2. Elke Gelzleichter/Pünktchen26. Oktober 2011 um 22:15

    Hi, Ursula!
    Du sagst es. Man sollte nicht meinen, was man alles in einer Pathologie erleben kann, ich habe sie immer scherzhaft "psychopathologische Abteilung" genannt. Manches Mal ging es wirklich wie in einem Tollhaus zu.

    VlG Elke

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  3. Das kann ich mir lebhaft vorstellen Elke und lustig war es bestimmt auch nicht immer, z.B. so wie in Deiner Geschichte.

    LG
    Ursula

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