Freitag, 9. März 2012

Osterwasser

Da steht es im alten Bücherschrank, das ebenso alte Buch mit Geschichten,  die den Kindern früherer Zeiten Moral und gute Sitten vermitteln sollten. Darin ist sie zu lesen, die Geschichte über den alten Brauch des „Osterwasserholens“.Doch nicht diese Basis der Handlung, ist von Interesse, sondern der in ihrem Rahmen beschriebene alte Brauch des Osterwassers.
Stumm sollte man gehen zur mitternächtlichen Stunde in der Auferstehungsnacht Christi, in der Nacht zum Ostermorgen – schweigend. Stumm den Weg zur murmeln Quelle wandern, ihr Reden in die eigene Wortlosigkeit dringen lassen; denn in dieser Nacht sind die Wässer geheiligt, gesegnet mit einer besonderen Kraft.
Dann, in einer Osternacht vor 16 Jahren: Wild entschlossen, auch diesen Brauch einmal zu praktizieren und – ich gestehe es – auf seine Wirksamkeit zu testen, hatte ich meine „bessere Häfte“ bewogen, sich mit mir auf dieses „Abenteuer“ einzulassen. Aber stumm und ohne Worte? Da hatte ich bei ihm meine begründeten Bedenken...und so kam, was kommen musste: Der weite Weg zur einzigen Quelle, die einigermaßen sicher auch noch in der Dunkelheit zu finden war, zur Karlsbergquelle,  führte über einige sonst sehr belebte Straßen und musste mit dem Auto bewältigt werden.  So wurde die Wanderung zum Osterwasser vermittels dieses Benzingefährtes begonnen. Aber, es schien ein seltsamer Zauber dieser Nacht inne zu wohnen:
Der Angetraute verwandelte sich auf eigenartige Weise in Mr. Bean, der zwar nicht redete, aber durch beredte Handlungen versuchte, meine ungewohnte Wortlosigkeit zu durchbrechen. Mr. Bean hielt an jeder Straßenkreuzung, stieg aus dem Auto – schaute links, schaute rechts – um mit seinem spezifischen Gang wieder den fahrbaren Untersatz zu besteigen und die Fahrt fortzusetzen, nicht ohne weitere Bemühungen durch Bean’sche Eigenartigen, mich, die Beifahrerin, zum Lachen zu reizen – jedoch ergebnislos - unerschütterlich meine Selbstkasteiung und Selbstbeherrschung...
Endlich war der Wald erreicht, das Auto am ehemaligen Baumagazin des verblichenen Feenschlosses auf dem Karlsberg geparkt und schon war der Geist von Mr. Bean verschwunden ...
Es hatte am Tage geregnet und im diffusen Restlicht der Nacht tasteten sich unsere Schritte den Berg hinan. Der dünne Strahl der Taschenlampe glitt die Baumstämme entlang, zwischen denen sich Fetzen dünner Nebelstreifen verhakten, es knirschte unter den Schuhen,  vermischt mit einem gelegentlichen Knacken kleiner Zweige und dem monotonen Tropfen der letzten, von den Blättern herabrinnenden Rinnsale. Süße schwere und junge Düfte in der von Feuchtigkeit gesättigten Luft. Der Weiher glänzte matt in der Waldeslichtung, blind sein Spiegel in der Dunkelheit, der Strahl der Fontäne durchschnitt ungestüm und zu laut, gleich schwatzenden Kirchgängern am Sonntagmorgen, das Würdige und Weihevolle der Nacht, das leise Murmeln der Quelle übertönend.
Glucksend füllte das Quellwasser die beiden mitgebrachten Wasserflaschen, der Rückweg konnte angetreten werden, doch die Sekunden sagten: „Verweilt noch ein bisschen, es werden noch viele Nächte kommen, aber diese Nacht kehrt niemals wieder“.  Abermals stummes Verweilen, Schauen ...
Auf dem Weg der friedvollen Wanderung zurück hatten  sich die Wolken verzogen – ein einzelner Stern blinzelte zwischen den Baumkronen...
Ob das Osterwasser etwas bewirkt hat? Ich weiß es nicht – das Jahr verlief im gleichen Auf und Ab wie alle anderen davor und danach. Mit dem Wasser einer Flasche war der Gartenteich „gesegnet“ worden, der in folgenden Jahren den herrlichsten Libellen, Fröschen und Molchen eine üppige Heimat bot – Zufall?

Für mich persönlich? – Möglicherweise das Glück, dass ich bis heute nicht auf den Mund gefallen bin!  

Text: Elke Gelzleichter März 2012
Gifs: Animaatjes. animated-gifs.eu
Foto: Elke Gelzleichter

Dienstag, 7. Februar 2012

Komm unter meine Decke – eine Fledermausgeschichte

Über 200 Jahre war es alt, das Haus, in dem ich damals wohnte,
in dem sich viele merkwürdige Dinge ereigneten,
in dem es vielleicht sogar spukte...

Aber die merkwürdigste Begebenheit ereignete sich in einer Oktobernacht vor vielen, vielen Jahren:

Als die Herbststürme in den Nächten begannen, über das Land zu brausen, schaltete der Wald hinter dem alten Ort auf den Hügeln seine Orgel ein.  Wie liebte ich es, mit diesen gewaltigen Melodien einzuschlafen, das Fenster geöffnet, vor dem sich die Gardinen blähten. Mondlicht wanderte den Wänden und den weiß gelackten Türen des Schrankes entlang und spielte mit den bizarren Schattenrissen der Gartenbäume. Ein Kaleidoskop bewegter Bilder, in das Märchenland der Fantasie und der Träume geleitend.

Im Reich der Träume spürte ich ein zartes Streicheln der Wirbelsäule entlang; denn unter meiner warmen Decke bedurfte ich keiner Bekleidung, zarte Berührungen stiegen den Rücken hinauf und hinab. Zunächst verstand ich dies als Zärtlichkeiten meines Mannes, doch er lag abgewandt mit dem Rücken zu mir....Rätsel? Was war die Ursache dieser Berührungen unter der Decke? Das etwas stieg jetzt weiter den Rücken hinauf gelangte ins Genick...Was war das?


Bartfledermaus

Nun war ich vollends aufgeschreckt ...es kroch weiter hinauf ....war in den Haaren...ich fühlte danach...etwas Weiches, Wolliges ...ein Vogel? Der Versuch, das Etwas aus den Haaren zu nehmen scheiterte...es schien tiefer  hineinzukriechen....etwa eine Maus....aber doch nicht in meinen Haaren...immer noch das Weiche, Wollige, Krabbelnde in meinen Haaren...ein Grauen...das war zuviel...

Mit schrecklichen Schreien sprang ich aus dem Bett, die Haare raufend...Mein Mann fuhr ebenfalls voller Schrecken auf,  das Licht einschaltend...

Auch das Etwas in meinen Haaren war erschrocken, der Platz in meinen Haaren gefiel ihm nicht mehr, es flog mit einem hohen Ton durch das geöffnete Fenster in die Nacht...
Eine fliegende Maus?...eine Fledermaus!

Man weiß von vielerlei Möglichkeiten, die sich Fledermäuse für ein Winterquartier aussuchen: Dachböden alter Häuser, Mauerspalten, Kirchen.  Der Versuch der Usurpation eines Bettes dürfte dabei aber einmalig sein!





Text: Elke Gelzleichter Febrzar 2012