Samstag, 29. Oktober 2011

Die Dame in den Schwertlilien

Eine kleine, fast phantastische Erzählung.
Noch versprühten einige dunkle Wolken Regen, der fein herniederstäubend vor der Sonne, die jetzt doch durch die blau-grauen Massen brach, seltsam glitzerte. Über der Landschaft, in ein irreales Licht getaucht, bildete sich die riesige Brücke eines bunten Regenbogens und gleichsam sein Schatten, schwächer im Abbild, ein zweiter dazu.
Das Kind hatte ihn gesehen, diesen herrlichen Regenbogen, von der hohen Terrasse aus, die einen weiten Blick in den Garten zuließ, in die Allee der Johannis- und Stachelbeerbüsche, weiter durch die Mirabellen- und Apfelbäume hindurch, vorbei an dem reifenden Weizenfeld, über die Wiesen zu einem kleinen Wäldchen. Dort schien das Ende des wundersamen Bogens zu sein. "Ich will zum Regenbogen gehen", sagte das Kind, "weit kann es nicht sein, ich kann sein Ende sehen". Die Kleine schüttelte ihre blonden Löckchen und schritt tapfer aus, ihre Puppe fest an sich gepresst, auf ihren langen Erkundungsweg, vorbei an dem dicken Kirschbaum im Hof, dessen herzförmige Früchte verlockend im dunklen Laub leuchteten. "O, ja", sagte sie, "ich will mir etwas Wegzehrung nehmen", kletterte auf die alte Bank, die müde an den Stamm gelehnt, geduldig Wetterwechsel und Alter ertrug und nun auch noch das leichtfüßige Kind, das ein paar besonders schöne Früchte pflückte und in die Tiefe der Schürzentasche verschwinden ließ, ohne der rötlichen Flecke zu achten, die sie auf dem verwaschenen Rosa gleich verblühender Hortensien hinterließen. Über jedes der Ohren hing sie noch ein Kirschenpärchen, das zwar durch die Löckchen verdeckt wurde, aber mit jeder Kopfbewegung durch das Gekringel hindurch blitzte. "Ich will besonders hübsch sein, für den Regenbogen", flüsterte das Mädchen der Puppe ins Ohr, "ich habe gehört, dass Engel auf ihm wandern, da ziemt sich kein Alltagsgewand."
Die Puppe lächelte wie immer mit halb geöffneten Lippen und blickte stumm aus blauen Glasaugen. Weiter ging der Weg über knirschende weiße Kieselsteine, "von Hänsel und Gretel", hatte das Kind gemeint, "weil sie im Mondlicht schimmern". Der starke Duft eines Galanthus erweckte seine Aufmerksamkeit, es pflückte eine halb geöffnete Blüte und steckte sie zu seiner Haarspange, um so verziert durch die Streuobstwiese unter den Mirabellen- und Apfelbäumen zu wandern, die schon Fruchtansätze trugen, von denen aber etliche vom starken Regen abgelöst zur Erde gefallen waren. Es kümmerte sich nicht darum, auch nicht um den feinen Sprühregen, der immer noch Kleider und Haar netzte, sondern sah nur zum Regenbogen, der immer noch in weite Ferne gerückt schien. Der Weg schlängelte sich nun entlang des Weizenfeldes, gesäumt von Mohn und Kornblumen, Margaritten und vereinzelt einer Wegwarte. "Warte Du nur", nickte das Mädchen einem besonders großen, verzweigten Zichoriengewächs zu, "dein Ritter kommt noch, dich zu erlösen", weil es um die Legende der Jungfrau wusste, die auf ihren Geliebten wartet, der in den Krieg ins Heilige Land gezogen war.
Nun dehnten sich weite Wiesen, von einem breiten, mit lehmigen Fluten durchzogenen Bach bis zum Rand eines kleinen Waldes hin, halbhohe Gräser mit zarten rosa und lila Wedeln wechselten mit Sauerampfer, weißen und roten Kleeblüten. Nun wurde es dem Kind doch beklommen; denn von Ferne sah es Haus und Garten nur noch wie Miniaturen aus der Spielzeugschachtel, es drückte die Puppe fester an sich und meinte, wohl eher sich selbst zur Beruhigung als der stummen Gestalt, "nur noch ein Weilchen, gleich sind wir am Ende des Regenbogens" und dann ließ ein Anblick wie aus einem Zaubergarten es vor Freude auf einem Bein hüpfen. An dieser Stelle war der Bach durch eine Wiesensenke übergeflossen und hatte durch sein sumpfiges Gelände einem Meer von blauen und gelben Teich-Schwertlilien einen Garten bereitet.
Ein Knüppelweg führte durch den unsicheren Grund und über eine Hängebrücke bis zum Wäldchen aus Krüppelkiefern, Ginster und einigen hohen alten Buchen. Dorthin war aber der Blick des kleinen Mädchens nicht gerichtet, die herrlichen Schwertlilien hatten sein besonderes Interesse geweckt. "Davon werde ich der Mutter welche bringen, dann wird sie mich nicht so sehr tadeln" dachte es bei sich und schon versuchte es, ein Füßchen auf die sumpfige Wiese zu setzen.
Doch es spürte, dass es dem Boden an Festigkeit fehlte und erinnerte sich an die Mahnung der Mutter, nie den festen Boden zu verlassen und lieber einmal ausgetretene Wege zu gehen als auf einem schmalen Steg über unsicheres Gebiet, das jemanden in die Irre führen und versinken lassen könne. Es suchte nun nach einem besseren Weg, und bestieg geschwind eine kleine Anhöhe, von dort wollte es über das Schwertlilien-Tal blicken, um einen sicheren Zugang zu den Blüten zu finden. Plötzlich zeigte sich inmitten der grünen Büschel der Lanzenblätter und der Blumenfülle eine Dame, als wäre sie einem alten Bild entstiegen in einem grau-blauen losen Gewand, die mahnend den Finger hob. Das Mädchen verharrte, wusste nicht ob es zu ihr eilen sollte; denn dort wo sie stand, hätte doch fester Grund sein müssen. Als könne sie die Gedanken der Kleinen lesen, schüttelte die Dame den Kopf und zeigte mit dem ausgestreckten Arm in die Richtung, von der das Mädchen gekommen war. Es war wie der deutliche Befehl "geh' nach Hause".
O, wie war das Kind erschrocken, es dachte daran, dass sicher schon eine ganze Zeit seit seiner Wanderung vergangen war und die Mutter sich sicher sorgen würde. Schade, dass es ihr keine Lilien als Geschenk mitbringen konnte, doch gehorsam machte es sich auf den Heimweg. Sicher waren die gelben und blauen Schwertlilien der Garten der schönen Dame und es wollte sie nicht weiter verärgern. Es lief eilig über die Knüppeldamm durch den Sumpf zurück und so sehr es auch schaute, die Frau war nirgends mehr zu sehen. Aber seltsam, 3 tiefblaue Iris - so heißen die Schwertlilien mit ihrem anderen Namen - lagen wie frisch gepflückt plötzlich vor ihm auf dem Weg und es hatte zu seiner Freude doch noch ein Geschenk und einen Beweis für sein Erlebnis.
Die Puppe in einem Arm, die drei Blumen in der anderen Hand hüpfte die Kleine fröhlich den Weg nach Hause, froh bald wieder bei der Mutter sein, wie ein Schiff im sicheren Hafen. Ein leichter Wind hatte nun vollends die dunklen Wolken weggeblasen, Sonnenlicht strahlte über die ganze Natur und ließ nur noch die Tropfen, die auf Gräsern, Büschen und Bäumen hingen, wie kostbares Geschmeide funkeln, aber auch der Regenbogen hatte sich aufgelöst wie Nebeldunst. Auf der Höhe des Weizenfeldes kam auch die Mutter schon entgegen, angstvoll, sie hatte ihr Töchterchen schon überall gesucht und tadelte sich selbst, ihre Aufsicht während der Hausarbeit zu sehr vernachlässigt zu haben und so nahm ohne große Vorwürfel ihr Kind in die Arme, das sogleich - wie ein Wasserfall sprudelnd - von seinen Erlebnissen zu erzählen wusste.
Aber bei dem Bericht über die Dame in den Schwertlilien schauderte es der Mutter und sie drückte ihr Kind noch einmal fest an sich. Aber ausgeschimpft hat sie es  trotzdem und streng – unter Androhung empfindlicher Strafen – darauf eingeschworen, niemals mehr den festen Boden verlassen zu wollen.
Das hat es auch getan, aber Schwertlilien – besonders im tiefsten Blau – sind heute noch - im Erwachsenenalter - ihre Lieblingsblumen.

Epilog: Man sagt, die Schwertlilie sei  ein Symbol für die Götterbotin Iris, die über die Regenbogenbrücke geht, aber auch im abendländisch-christlichen Denken ein Symbol für Maria.

Abb.: Wikipedia
Gifs:   Gifparadies

Text: Elke Gelzleichter 2010 

Dienstag, 25. Oktober 2011

Gern treib' ich mit Entsetzen Scherz

Heiteres und Skurriles aus dem Berufsleben
Es gibt sie immer wieder, die Momente der Überraschung, des Staunens, der ausgelassenen Heiterkeit, der merkwürdigen und skurrilen Begebenheiten, die den Alltag und insbesondere auch das Berufsleben in einer solchen Art würzen, als sollten sie auf ewig im Gedächtnis verhaftet bleiben. Einige der markanten Gespräche und Telefonate mit Kunden oder Patienten aus dem Berufsleben der vergangenen Zeit sollen nun in kleinen Episoden sozusagen in einem schriftlichen Gedächtnis ihren Platz einnehmen.

Aus dem Buchclub
1. Das Doktorbuch
Ein Kunde bewegt sich suchend durch den Club-Center, natürlich überlass‘ ich ihn nicht hilflos seinem Schicksal und wende mich mit der Frage an ihn: "Suchen sie etwas Bestimmtes?" "Ja", lautet Antwort in
einem deutlich erleichterten Ton, "das neueste Doktorbuch!" "Welchen Titel meinen Sie?" Mit dieser Frage unterbreche ich eine Denkblase, weil ich mich an keinen neuen Titel der gängigen Gesundheitsratgeber erinnern kann, während ich ihn zu dem Regal mit den entsprechenden Werken führe. "Hier", ich greife zu "Gesundheit von A-Z", der Mann schüttelt den Kopf, auch "Der Hausarzt" findet nicht seine Zustimmung. Ich bitte ihn, das Regal nach dem gesuchten Titel durchzusehen, doch keines der Bücher hat für ihn einen Wiedererkennungswert. Etwas ratlos bitte ich ihn zu dem Tisch mit den Katalogen, vielleicht dass darin dieses "neue" ominöse Gesundheitsbuch zu finden ist. Auf dem Tisch liegen ein paar Bücher, die noch nicht wieder in die Regale zurückgeräumt sind. Der Kunde greift sich aufgeregt einen Band heraus. "Da", schreit er triumphierend, "das ist es, das Doktorbuch!" Jetzt interessiert mich aber der Titel und nur mit Mühe kann ich ein Lachen verbergen. Er heißt "Doktor Schiwago".

 2. Hallo, Fräulein
Eine alte klassische Schaufensterpuppe, die das Team vom "Kaffeegeld" erstanden hatte, steht am Eingang des Centers, modisch ausgestattet im Schottenstil, mit weißer Bluse, Schottenrock und einer Krawatte aus dem echten Tartan der Camerons (einst eine Beigabe zu dem Roman "Die Camerons"). Die so herausgeputzte Dame trägt eine Tasche eigener Konstruktion mit der Aufschrift "Auch Frau McKenzie kauft im Club-Center". Diese Behauptung soll auf die Sonderangebote, die in entsprechenden Containern angeordnet sind, aufmerksam machen. Der Erfolg beibt auch nicht aus, nur anders als erwartet: Ein älterer Herr wendet sich an die Schaufensterpuppe: "Fräulein, wo geht’s denn hier zum Bahnhof?" bittet er um Auskunft. Die Puppe hat das Sprechen noch nicht erlernt, vielleicht redet sie auch erst um Mitternacht. Ich selbst bin starr vor Staunen und kann den Irrtum nicht aufklären. "He, ich hab‘ sie etwas gefragt!" poltert das Männlein und stößt "Frau McKenzie" unwirsch an den Waden mit dem Stock an. Nun hat sich der Fall auch für den alten Herrn geklärt...

3. Die Sache mit dem "Spinner"
Das Pärchen, das den gut besuchten Laden betritt, ist sich offenbar uneins in der Sache, die gekauft werden soll. Während mir der männliche Part, etwas dicklich und mit Brille, sein Begehr erklärt, nämlich "die neueste Schallplatte", zischelt die schlanke, schwarzhaarige Dame mit Hexennase mir zu "hören sie nicht auf den, der spinnt!" Da ich nicht geneigt bin, einer Verleumdung aufzusitzen, wende ich mich dem potentiellen Kunden zu und bitte ihn um nähere Angaben. Er kennt keine. Nun, es soll sich um die neueste Schallplatte handeln, so geleite ich zu den derzeit moderneren und gefragten Ausgaben von Joe Cocker und Procol Harum, er aber kann damit nichts anfangen. Wieder zischelt die Schwarzhaarige schlangengleich "ich sage ihnen doch, hören sie nicht auf ihn, der spinnt." Auch das in solchen Fällen übliche Durchforsten der Kataloge bringt uns auf "keinen grünen Zweig". Das Zischeln wird schon lästig. Schließlich kommt mir die zündende Idee: "Sagen sie, können sie die Musik einmal intonieren". "O, ja", er nickt begeistert und schon geht es los:,Da,da,da, - daaa!" Die übrigen Kunden, die interessiert dieses Unterfangen begleitet haben, beginnen zu lachen und schließlich kann ich mich auch nicht mehr zurückhalten, und während ich lospruste zischelt die Hexennase "ich hab’s doch gesagt, der spinnt!"
Die Melodie - es ist nicht zu fassen - ist "die Fünfte" von Beethoven!!
Aus der Pathologie

1. Ein Patient hat es eilig
Ich habe Telefondienst. Das Telefon läutet und ich melde mich mit "Institut für Pathologie H...". Am anderen Ende eine gehetzte Stimme:"Schnell, schnell, ich brauche sofort einen Termin!" Das wundert mich, unsere "Clientele" braucht keine Termine. Entweder gibt es nur den Kontakt in Gewebeproben, die zur Untersuchung in die Labore gebracht werden oder eine Krankheit "war nicht mehr mit dem Leben zu vereinbaren." Also hake ich behutsam nach: "Sie sind hier in der Pathologie gelandet, sind sie sicher, dass sie richtig verbunden sind?" "Ja, ja, ich bin hier in Hamburg und komme direkt aus Bogotà, ich soll sofort operiert werden," der Patient ist hektisch. "Und da sollten sie in der Pathologie anrufen?" "Ja,ja, Pathiologie – ich habe Röntgenbilder, Blutuntersuchungen alles dabei..." "Ich glaube, da sind sie bei uns nicht richtig," wage ich festzustellen,"darf ich fragen, woran sie operiert werden sollen, damit ich sie an die richtige Stelle verbinde." Man kann ja schließlich nicht mit der Tür ins Haus fallen. "Ei, am Darm" lautet die Antwort. "Gut, dann werde ich sie mit der Chirurgie verbinden" und da der Mensch nicht an einer Herzkrankheit leidet, erlaube ich mir noch einen flapsigen Zusatz "denn wenn unsere Ärzte sie operieren, bleibt nicht mehr viel übrig". Die Entgegnung verblüfft: "Ist mir egal, die Hauptsach‘, ich werd‘ operiert!"

 2. Herzuntersuchung
 Ich bin in Eile und begegne auf dem Flur einem jungen Mann. "Ich bin hier zur Herzuntersuchung angemeldet." "Wohl kaum", entgegne ich, "sie sind hier in der Pathologie. Sie müssen zur Kardiologie". "Nein" behauptet er trotzig, "ich muss hier her". Das reicht. Der will mich wohl veralbern. Diesen jungen Besserwisser gebe ich in die Obhut eines entgegenkommenden Sektionsgehilfen. "Nimm diesen jungen Mann mit in den Sektionssaal, wenn er das übersteht, hat er nix am Herz..."

3. Anmeldung  
Offenbar war der Dame, die vorstehende Szene im Hintergrund beobachtete, etwas Entscheidendes entgangen. Sie wandte sich vertrauensvoll an mich und meinte freundlich: "Sie haben dem jungen Mann so nett geholfen, können sie mir bitte auch weiterhelfen". "Ja gerne, worum geht’s denn?" "Ich möchte meine Mutter anmelden". Diskret mustere ich die dunkle Kleidung der Frau – es könnte sich um einen Trauerfall handeln. Ich frage mit samtweicher Stimme "und wo befindet sich Ihre Frau Mutter?" Ich muss schließlich wissen, wo der Leichnam abgeholt werden soll, und der "Prof." muss auch noch sein Einverständnis geben. "Sie steht unten vor der Tür" ???? (Es rotieren die grauen Gehirnzellen). "Wie geht es ihrer Mutter denn", säusele ich, "erfreut sie sich noch einer guten Gesundheit?" "Sicher," unterrichtet mich das freundliche Gegenüber, "sie muss nur noch eine Herzuntersuchung haben." Jetzt wird mir einiges klar, so ein kluges Köpfchen an der Pforte des Universitätsklinikums scheint den Unterschied zwischen Kardiologie und Pathologie nicht zu kennen. Nun nehme ich die fürsorgliche Dame ins Visier. "Wissen sie, wo sie sind? Sie sind hier in der Pathologie!" Sie schaut mich verständnislos an, ich erkläre ihr "sotto voce" "hier kommen die Verstorbenen hin". "O, Gott" sie schlägt die Hände vor den Mund. Der Weg zur Kardiologie ist schnell erklärt. Dann verabschiede ich die Dame, die es jetzt sehr eilig hat, und flüstere ihr noch zu "sagen sie ihr nur nicht, wo sie sie hinbringen wollten.." "Nein", kichert sie, "jetzt noch nicht, vielleicht später einmal, sie hat eigentlich sehr viel Humor..."  
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Text: Elke Gelzleichter


Kinder, Kinder - Kinderstreiche, Kindermund. Heitere Episoden

Die folgende kleine Begebenheit hat mich dazu animiert, aufgrund ihres heiteren Inhalts auch Episoden aus den frühen Kindertagen meiner Töchter und Enkel preiszugeben.

1. Umzug
Die kleine 5-jährige Göre aus der Nachbarschaft mit dunkelblondem Kraushaar, das man versucht, in dicken Zöpfen und meist einem rosa Stirnband (erklärte Hello-Kitty-Anhängerin) zu bändigen, versucht sporadisch immer wieder, den Willen der Eltern zu umgehen, indem sie meinem Mann Peter heimlich Süßigkeiten entlockt, da das Übermaß an derlei Leckereien kraft elterlicher Gewalt untersagt wurde. Da er sich oft und gerne durch den Blick der blauen Kulleraugen zu solchen Untaten oder anderen von Kindern geliebten Dummheiten überreden lässt, hat sich – neben den gut nachbarlichen Beziehungen der Erwachsenen – eine besondere Freundschaft (sozusagen unter Kindern) entwickelt, die die Kleine offenbar versucht, als Druckmittel gegen die Eltern einzusetzen. So geriet sie vor Kurzem mit der Mutter in Streit, suchte das Weite und Trost bei dem Vater, der im Hof werkelte – doch die Konfrontation war auch hier schon vorprogrammiert. Wild betrat sie wieder die Küche und herrschte die Mutter an: "Am besten du packst mir gleich den Koffer, ich ziehe rüber zum Peter".
2. Metamorphose
Meine Älteste, schon im zarten Alter von 2½ Jahren sprachlich voll entwickelt (sie rezitierte vollständig das Gedicht von den Heinzelmännchen), versuchte neben dem Mundwerk auch die Füße in entsprechender Schnelligkeit zu nutzen und so kam es eine Tages, als sie wieder einmal munter plappernd durch die Räume flitzte, zu einem folgenschweren häuslichen Unfall. Sie nahm die Kurve um eine scharfkantige Schrankecke zu eng und stieß sich so kräftig die Stirn, dass ein Riss entstand, der ärztlich versorgt und geklammert werden musste. In der Folge schwoll die Stirn stark und wölbte sich kräftig vor. Der dadurch entstandene Druck muss dem Kind unheimlich vorgekommen sein, denn es fragte mich: "Mammi, werd‘ ich jetzt ‚n Hirsch?"
3. Polyglott
Im Alter von 4 Jahren wurde die Älteste durch die verschiedenen Idiome der deutschen Sprache sozusagen in die Grundbegriffe des Dolmetschens eingeführt. In den "vier Wänden" sprachen wir Hochdeutsch, im Kindergarten gab’s saarländisch, meine Mutter benutzte zum Schimpfen Westerwälder und schließlich sprach man bei den Eltern väterlicherseits thüringisch (was sich meiner Meinung nach vom Klang her nicht sonderlich von sächsisch unterscheidet). Dass sie dabei war, eine "fremde Sprache" zu erlernen, erkannte ich, als sie mir plötzlich mit heller Stimme von "Hose" erzählte und ich verzweifelt zu eruieren versuchte, welche Hose nun gemeint war. Sie erzählte weiter, dass "Hose" Möhren fraß – ach, so: Die thüringische Version von "Hase". Ich erklärte dem Kind, dass man Worte unterschiedlich aussprechen kann, aber zum allgemeinen Verständnis man besser Worte so wie zu Hause "in den vier Wänden" aussprechen sollte.
Eines Tages präsentierte sie dem Opa (aus Stützerbach bei Ilmenau) ihr heißgeliebtes Bilderbuch mit dem markanten Bild eines vielarmigen Kaktus – sog. Kandelaberkaktus – mit der mündlichen Erklärung "das ist ein Kandelaberkaktus". "Wos ist dos," fragte der Opa nach. "Kandelaberkaktus" antwortete meine Tochter geduldig. "Wos?" wurde wieder nachgefragt. "Kondelobergogdus" lautete die Übersetzung. Der Opa lachte "du willst mich wohl verolbern (veralbern)".
(Thüringische Original-Anweisung zur Aussprache des thüringischen Textes: Gesicht entspannen, Unterkiefer vorschieben und dann rausloofen lassen).
4. Zungenschlag
Als bekennende 68-igerin und Verfechterin der nicht-autoritären Erziehung (abgespeckte Form der anti-autoritären Erziehung) vermied ich es, Klapse bei ungehörigem Benehmen des Nachwuches auszuteilen, was die Erziehungsbemühungen oft recht mühselig und anstrengend gestaltete. Meine wilde malefizblonde Jüngste (rote Haare, Stein in der Tasche) hatte sich urplötzlich die unsägliche Angewohnheit zugelegt, jedem Menschen – erwachsen oder auch nicht – wenn es ihr gerade gefiel, die Zunge herauszustrecken. Ermahnungen sind in solchen Fällen fruchtlos. Wie bei der Erziehung junger Hunde muss der Proband erkennen, dass ein solches Verhalten, eigenes Unbehagen verursacht. Gemäß dem Wissen "c’est le ton, qui fait la musique" gebot ich bei der nächsten Gelegenheit mit äußerst strenger Stimme und Gletscherblick "die Zunge bleibt draußen!" "Hä?" Die Zunge fuhr schnell in die Mundhöhle zurück. "Raus mit der Zunge". Wenn so eine menschliche Zunge lechzend außenbords hängt, wird sie trocken und kalt. Man muss Speichel schlucken, sie fährt naturgemäß zurück an ihren Liegeplatz. "Raus mit der Zunge", nun war‘s genug mit der Strafexpedition. Die Kleine begann zu jammern: "Bitte, bitte, darf ich die Zunge drin behalten. Ich streck‘ sie auch nie mehr gegen jemand heraus." Und das war die Wahrheit.
5. Pan Taus Regenschirm
Es hatte geregnet, die Jüngste war, mit einem Regenschirm bewaffnet, auch nach Schulschluss immer noch nicht nach Hause gekommen, ich versuchte, das Essen wenigstens noch etwas warm zu halten, weil die Zeit drängte und ich schon bald wieder in den Dienst musste. Schließlich traf sie ein, laut heulend und schluchzend, in bestem Saarländisch stammelnd: "Mei Au laaft aus", was in der Translation soviel wie "mein Auge läuft aus" bedeutet. Diese düstere Prophezeiung veranlasste mich, die Schädigung des Auges anzusehen, eine kleine Verletzung an der oberen Lidkante ließ auf einen Unfall mit dem Regenschirm schließen, der offenbar mit kräftigem Druck ins Gesicht geflogen war und jetzt ein unangenehmes Gefühl auf dem Auge verursachte. Ich beruhigte mein Kind und fragte, wie die Verletzung entstanden sei. "Ich habe Pan Tau gespielt", gestand sie zerknirscht. Ah ha, schon wieder gegen jedes Verbot von einer Mauer unter Verwendung des Regenschirms gehopst! "Wer nicht hören will, muss fühlen!" hinterließ keinen großen Eindruck, nach kurzer Zeit vernahm ich wieder die quengelnde Stimme: "Mei Au laaft aus!" Ich widersprach, dass dem nicht so sei. Aber für nur kurze Zeit war Ruhe eingekehrt. Nachdem ich zum 5. Male vergeblich mit aller Kraft den Mini-Pan-Tau von der Harmlosigkeit der Lidverletzung zu überzeugen versuchte, verlor ich schließlich die Geduld und behauptete äußerst unwirsch: "Ja, du hast Recht, dein Auge läuft aus, guck in den Spiegel. Die "Königstochter jüngste" trat vor den großen Garderobenspiegel. Totenstille. Schließlich die trockene Bemerkung: "Ist ja gar nicht wahr!"
 6. Engel ohne Flügel
Anlässlich eines Familienfestes bat mich die erste Enkelin (damals dreijährig) in das Badezimmer. "Zuschließen", flüsterte sie. "Warum?" fragte ich. "Weil wir beide Engel sind!". Ich kann mir nicht vorstellen, dass es je so war, und wenn, dann haben wir beide die Flügel verloren. (Vielleicht hatte sie aber damals nicht den Unterschied zwischen Engel und Enkel verstanden).
7. "Verbrecher"

Große Ausflüge mit Enkeln, Hund und Rucksack, waren oft ein viel geliebtes Wochenendvergnügen. Mit dem Jüngsten (damals 4 Jahre) unternahmen wir einmal, zu seiner größten Freude, allein einen Ausflug mit Naturbeobachtungen, Verteilen von Brotkrumen an Haselmäuse und Waten durch Bäche. Auf dem Nachhauseweg sammelte er Stöckchen, die er in kleine Stücke zerbrach. "Guck mal," meinte er und setzte dann ein falsch verstandenes Wort ein, "wie ich alles verbreche, ich bin doch ein richtiger Verbrecher!"
8. Zugfahrt
 Den Vogel schoss bei einer unserer Wanderungen der damals 5-jährige zweitälteste Enkel ab. Vermittels zweier langer Stöcke, die ich rechts und links vorne und er gleichermaßen hinten greifen musste, imitierten wir, auf seinen Wunsch, im Dauerlauf die Stöcke im Wechsel kreisförmig bewegend, die Räder einer Lokomotive. "Oma, renn", brüllte er immer wieder, "der Bahnhof brennt!" Oma, bis heute gut zu Fuß, rannte. "Oma, renn," kam immer wieder die Aufforderung, mit der Zeit immer atemloser. Es ging einen Berg hinauf. "Oma, renn!" Es war nur noch ein Japsen. Schließlich langten wir an dem Gefährt an, das uns wieder nach Hause bringen sollte. Der Kleine warf sich ins Gras. "Gott sei Dank", schnaufte er, "dass wir mit dem Zug gefahren sind. Stell dir vor, wir hätten den ganzen Weg laufen müssen!"
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Text: Elke Gelzleichter

Montag, 24. Oktober 2011

Von Ratten und Menschen

Der alte Nachbar wurde debil, langsam und schleichend.
Sein merkwürdig schleudernder Gang, verursacht durch einen alten, schlecht verheilten Beckenbruch, verstärkte sich. Er vergaß zu trinken, schließlich auch zu essen und legte sich plötzlich am hellen Mittag zur Nachtruhe. Der Unrat in seinem Hause häufte sich.
Der soziale Dienst, der ihn versorgen sollte, kam nur sporadisch und höchst ungenügend seinen Verpflichtungen nach. Eigensinniger wurde der alte Klaus. Abends – nach dem Dienst – entschlossen, ihn wenigstens mit dem Notdürftigsten zu versorgen, weckte ich ihn mit der Hoffnung, ihn wenigsten zum Essen und Trinken bewegen zu können. Doch er öffnete immer seltener die Tür und als auch seine eigene Schwester nichts mehr ausrichten konnte, wurde die Unterbringung in einem Heim beschlossen – die behördlichen Prälimarien zu diesem Unterfangen zogen sich endlos hin. Ratten usurpierten das im Müll erstickende Haus und infiltrierten schließlich die Nachbarschaft.
Als sie schließlich durch die Hundeklappe in der Seiteneingangstür meines Hauses einen Weg zu Keller und Küche gefunden hatten, ich nächtens, durch mehr oder weniger leises Geknusper und Geknispere geweckt, das eine oder andere kleine Nagetier fröhlich und unverschämt auf dem Küchen-Sideboard hopsen sah, entschloss ich mich schweren Herzens zum Kauf von Fallen – Lebendfallen natürlich, in verschiedenen Größen; denn bekanntlicherweise schicken die Ratten erst ihre "Minis" los, um das Terrain zu sondieren. Einen Sommer lang – bis in den späten Herbst, versuchte ich tapfer der Rattenplage mit Hilfe der gut bestückten Fallen und äußerst zwiespältigen Gefühlen Herr zu werden. Sie waren doch so possierlich mit ihren Hamster-ähnlichen Gesichtern und dem eindeutigen Versuch einer Kontaktaufnahme, wenn sie in einem meiner Käfige gelandet waren (!) – aber, bitte ohne Asyl in meinem Haus(!!). Nacht für Nacht – meistens in den frühen Morgenstunden – etwa gegen 3 h – klappten mit lautem Knall die Fallentüren zu. Die nächtliche Wanderung zum Waldrand oder (pst – ich sag‘ s nur hinter vorgehaltener Hand) zum näher gelegenen Maisfeld gestaltete sich fast zum Ritual – die gefangene Ratte wurde wieder frei gelassen (nicht ohne Mitgabe einiger Brotkrumen als erste Wegzehrung).
Im Spätherbst fand sich der Heimplatz für den alten Nachbarn – das Haus wurde entrümpelt, vorbei war es mit den fetten Pfründen der Ratten, immer seltener klappte die Fallentüre und... da war es wieder dieses zwiespältige Gefühl zwischen "Gottseidank" und der undefinierbaren Ahnung eines Verlustes (werde ich deshalb heute noch manches Mal nachts um 3 h wach?).

Der Sommer des nächsten Jahres brachte mir die Bekanntschaft von Susi.
Susi – eine junge Wanderratte – die im Holzstoß einer Nachbarin Wohnung bezogen hatte, versuchte pünktlich jeden Mittag in mein Haus zu gelangen, wenn ich – im Müßigang (frisch operierte Hände ließen nichts Anderes zu) die Sonne genießend – niedergelassen auf den Treppenstufen – die Natur meines kleinen Gartens beobachtete. Forsch bewegte sie sich jedes Mal auf mich zu bis ich sie, mit dem Finger auf sie deutend, mit den Worten "Susi, geh – das ist mein Haus" davonscheuchte. Mit sehr gemächlichen Bewegungen drehte sich sich dann, um  jedoch plötzlich und blitzschnell im Holzstoß zu verschwinden.
Der Sommer ging, längst hatte ich meine Arbeit wieder aufnehmen können – es gab keine Pausen in der Mittagssonne mehr, der Oktober brachte Nässe und kühle Nächte.
Die frühesten Morgenstunden eines Sonntags hatten mir Migräne beschert, ich saß im abgedunkelten Wohnzimmer und versuchte mit zusätzlichen Hausmitteln wie "heißer Lappen ins Genick, kalter auf die Stirn" diesem äußerst lästigen und unangehmen Übel Herr zu werden. Plötzlich – mir erstarrte fast das Blut in den Adern – war ein Zischen und Knurren im Raum zu vernehmen. Die Augen weit aufgerissen beobachtete ich im Restlicht den diffusen Schatten eines Tieres, der sich an der Wand entlang bewegte – eine Ratte – riesig, bestimmt zwischen 45 und 50 cm groß. Der anfängliche Schrecken war schnell überwunden: "Susi", sprach ich sie an. Kurren und Zischen als Antwort, während sie durch meinen gemauerten Brunnen huschte. "Susi, das ist mein Haus – geh!" Knurren und Zischen – mir sträubten sich die Nackenhaare; denn -  wie dreist, nun lief sie auf der Lehne der Couch hinter meinem Kopf entlang. Nun wurde es mir zu bunt – mit dem Zeigefinger auf sie zeigend, zur vollen Körpergröße hoch aufgerichtet, brach mein ganzer Zorn heraus und zwischen zusammengepressten Zähnen gelang mir ein Zischen, dem der Ratte ähnlich: "Hau ab, Susi, das ist mein Haus!". Ich trieb sie vor mir her – sie verschwand unter den zugezogenen Gardinen des Wintergartens. Natürlich – dieses eine Fenster, durch den gekippten "Aussteller" halb geöffnet, hatte ihr Einlass geboten. Dass sie diese Möglichkeit vom Boden aus in einer Höhe von 2 m erkannt hatte, zeugte von einer sprichwörtlichen Klugheit! Aber, bei aller Bewunderung, mit dem Gedanken, alltäglich den Fernsehabend mit einer Ratte auf der Couch zu verbringen, konnte ich mich nicht anfreunden. Von einer Mär über eine als Ratte verzauberte Prinzessin (oder einen Prinzen) hatte ich keine Kenntnis – dergestalt reichen die diversen Zauberkräfte anscheinend nur zur Verwandlung in Frösche. ..
Doch es gab Abhilfe in Art einer gut mit Schokokeksen, Schinken und Käse bestückten Wieselfalle: Susi machte sich in der Dämmerung auf den Weg, die Falle umschleichend, sondierte sie das Terrain – leise knurrend. "Hmm, hmmmm – 2 Fallentüren, da kann ich immer noch aus einer heraus, wenn eine Tür zuschlägt", diese "Denkblase" war förmlich zu sehen! Der Duft der Leckereien – die Gier danach war stärker - Susi betrat den großen Käfig und... beide Türen schlugen zu!

Die Moral von der Geschicht‘: Glaube nie, dass du dir ein Türchen offen halten kannst, manches Mal sitzt du dann schon längst in der Falle.

Epilog:

"Wo hast Du sie hingebracht", fragte ich meinen Mann, nachdem er Susi "ausgewildert" hatte. "Zum McDonalds, da hat sie gleich wieder etwas zu fressen!"







Fotos: Mäuseforum
Gifs: Gifparadies
Text: Elke Gelzleichter


Sonntag, 23. Oktober 2011

Von dürren Worten und einem Fest der Sprache

Märchen über die Sprachverkümmerung
Einst hatten die Worte – es ist sicher schon hundert Jahre her – beschlossen, sich einer Diät zu unterziehen. Nicht mehr in Üppigkeit, ohne allerlei Zierrat, ohne barocke Verschnörkelungen, sollten die Dinge klar betrachtet und beschrieben werden. Alte Zöpfe wurden abgeschnitten, die Perücken eingemottet. So gingen die Jahre ins Land, ja irgendwann waren es Jahrzehnte. Vielen Worten gefiel die Abmagerungskur so, dass sie, regelrecht magersüchtig, so dünn gerieten, dass sie schließlich nicht mehr zu sehen waren und in Vergessenheit gerieten. Überall konnte man nur noch dürre Worte erblicken, die nur das Notwendigste beschrieben und, weil sie gar so dürr waren, sich oft mit Gästen aus einer fremden Sprache aushelfen mussten. Bis eines Tages im Mai:
Ein Kind saß über seinen Hausaufgaben, es sollte den Himmel, die Natur und alle Geschehnisse, die es dort beobachtete, aufschreiben. Nun saß es da mit seiner handvoll dürren Worten, sah zum Fenster hinaus an den Himmel und schrieb: "Der Himmel ist blau". Dann sah es Wolken darüberziehen und es schrieb: "Auch Wolken sind da". Dann sah es, dass zu den weißen Wolken sich schwarze gesellten. Es fügte die Worte "die Wolken sind schwarz und weiß" dazu und weil es entdeckte, dass der Wind blies, noch "Sie ziehen schnell". Dann betrachtete es den Garten mit dem Magnolienbaum: "Der Baum ist grün. Es sind noch ein paar Blüten da. Die anderen liegen auf dem Boden. Sie sind braun."
Nun überlas es den Text nochmals in seiner Gänze: "Der Himmel ist blau. Auch Wolken sind da. Die Wolken sind schwarz und weiß. Sie ziehen schnell. Der Baum ist grün. Es sind noch ein paar Blüten da. Die anderen liegen auf dem Boden. Sie sind braun." Ach, diese dürren Worten gefielen dem Kind ganz und gar nicht. "Ihr seid doch zu hässlich, ihr dürren Worte" schimpfte es und warf den Dauerschreiber zornig auf den Tisch; mit diesen Worten war es nicht möglich gewesen, das zu beschreiben, was zu sehen und zu fühlen war.

Eine kleine, rundliche Fee, die mit Worten zaubern konnte, hatte zufällig diesen Zornesausbruch gehört. Indem sie das kindliche Geschreibsel betrachtete, schmunzelte sie über das ganze Gesicht. "Na, das können wir ganz schnell ändern", sprach sie tröstend und strich über den Strubbelkopf. Simsalabim, schnell den Zauberstab geschwungen und alle Wörter, auch viele der vergessenen, standen bereit. "Heute feiern wir ein Fest der Sprache", lächelte die Fee und lud mit einer Handbewegung dazu ein. Da trippelten die Worte heran, sahen in das Heft und es begann ein buntes Treiben: In immer neuen Kombinationen stellten sie sich bis die Fee zufrieden und das Werk vollendet war. Mit großen Augen las nun das Kind:
"An diesem Maientag erstrahlte der Himmel in einem Blau, gleich der Farbe des Meeres in den Buchten ferner Inseln der Südsee. Doch ein frischer Wind trieb dicke, weiße Wolken vor sich her, zu denen sich bald dunklere gesellten, deren Schwärze von Regenschwere zeugten. Doch im Garten blieb das frische Grün des Magnolienbaums davon noch unberührt, wenn auch nur wenige seiner kerzengleichen Blüten noch an die erst kürzlich vergangene Pracht erinnerten, die jetzt den Boden bräunlich verfärbt bedeckte".
"So ist besser", es klatschte in die Hände. Aber die Fee hob ermahnend den Zeigefinger und sprach, an die Worte gerichtet: "Ich muss mit euch ein ernstes Wörtchen reden. Ihr seid Bestandteil einer kostbaren Sprache, so kostbar wie Sanskrit, sagen die Wissenschaftler. Entzieht euch nicht mehr eurer Pflicht. Zeigt mir einmal, wie heißen würde, wenn es jemand einfiele in der Sprache eurer Gäste zu schreiben "colour your life". Mit schnellen Getrippel bildeten sich die Sätze:
Bunt sei dein Leben", "gib deinem Leben Farbe", "dein Leben sei vielfältig und bunt" ....
Und wenn die Worte nicht aufgehört haben, sich in Sätzen zu formieren, so tun sie`s noch jetzt...
Text und Fotos: Elke Gelzleichter, Gifs: Gifmix